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Hintergrund und aktuelle Situation

Hintergrund

Medien und insbesondere digitale Medien sind fest im gesellschaftlichen Leben verankert: Internet, PCs und Laptops, Tablets, Smartphones etc. ermöglichen den Zugang zu Information, Bildung, Unterhaltung und Teilhabe - unabhängig von Ort und Zeit. Auch das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist durch digitale Medien geprägt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2019) - "wie nie zuvor" betont das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bereits 2013 in seiner Bestandsaufnahme zur Medienkompetenzförderung (BMFSFJ 2013, S.10). Medienkompetenz ist mittlerweile eine Schlüsselkompetenz und dabei nicht nur auf ein technisches Verständnis zur Mediennutzung beschränkt, sondern umfasst auch soziale und gesellschaftliche Aspekte und Normen, die über die verschiedenen institutionellen (unter anderem Kindertageseinrichtungen, Schule) und sozialen Umwelten (zum Beispiel Familien, Freunde, Peers) prägend sind für einen selbstbestimmten und gesunden Umgang mit Medien (ebd.).

Zahlreiche Programme, Initiativen, Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten diverser Akteurinnen und Akteure auf Ebene des Bundes, der Länder, der Kommunen und in den verschiedenen Lebenswelten haben die Mediennutzung in den Fokus gerückt - auch um ein gesundes Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. Auf der einen Seite bedarf die agile und eher schnelle technische Entwicklung neuer digitaler Medien und Formate dieses vielseitige Engagement (BMFSFJ 2013). Auf der anderen Seite ist Mediennutzung nicht nur mit Entwicklungsmöglichkeiten, Teilhabe und positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen behaftet. Verschiedene Studien belegen, dass eine übermäßige beziehungsweise exzessive Mediennutzung gesundheitsschädigend wirken kann (Büsching & Riedel 2017). Neben Bewegungsmangel, unter anderem durch vermehrte Bildschirmzeiten, gibt es auch negative Effekte auf die seelische Gesundheit der Aufwachsenden: Entwicklung von Abhängigkeitsproblematiken, Suchtverhalten und anderen Verhaltensauffälligkeiten, Schlafstörungen, Cybermobbing und Konfrontation mit verstörenden Inhalten (Gewalt, Pornographie usw.) sind mögliche Gefahren. Zudem kann eine übermäßige Mediennutzung selbst auch Suchtpotenzial entfalten, sodass Betroffene trotz negativer Folgen und Auswirkungen auf die psychische Gesundheit an der Mediennutzung festhalten (Deutsches Kinderhilfswerk 2021).

Aktuelle Situation in NRW

Der Hintergrund macht deutlich, dass Mediennutzung und die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ein hochaktuelles Thema ist, dessen Bedeutung durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Die Nutzung der verschiedenen digitalen Medien kann vielfältige Einflüsse auf die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben. Gleichzeitig ist Gesunde Mediennutzung ein komplexes Themen- und Handlungsfeld, in dem bereits zahlreiche Akteurinnen und Akteure aktiv sind.

Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen hat von Anfang 2020 bis Mitte 2021 im Auftrag und unter Mitwirkung der Mitglieder der Arbeitsgruppe "Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen" eine mehrstufige Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse im Themenfeld Gesunde Mediennutzung umgesetzt.

Neben einer nicht repräsentativen NRW-weiten Onlinebefragung von Akteurinnen und Akteuren, die in ihrem Arbeitsalltag mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in Kontakt kommen, wurden zwei ergänzende Gespräche mit Expertinnen und Experten sowie ausgebildeten Medienscouts durchgeführt.

Aus der Onlinebefragung und den Gesprächen lassen sich Kernaussagen für die Landesinitiative ableiten, die die Ergebnisse - stark gekürzt und verallgemeinert - zusammenfassen:

  • "Gesunde Mediennutzung" ist kein abschließend definiertes Konstrukt, sondern ist als Themenschwerpunkt der AG "Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen" durch eine starke Entwicklungsdynamik und Komplexität geprägt. So besteht eine Vielzahl an Projekten, Maßnahmen und Aktivitäten, die dem Bereich zugeordnet werden können; gleichwohl ist ein expliziter Gesundheitsbezug selten vorhanden beziehungsweise wird der Zusammenhang zwischen seelischer Gesundheit und Mediennutzung selten aufgegriffen. Mediennutzung ist dabei nicht nur entlang der negativen Auswirkungen zu diskutieren.
  • Im Sinne einer Gesunden Mediennutzung sind auch die konstruktiven Aspekte und Potenziale der Mediennutzung in Bezug auf die seelische Gesundheit zu berücksichtigen und auszubauen. Ein differenziertes Verständnis und eine orientierungsgebende Definition des Themenfelds "Gesunde Mediennutzung" sind unabdingbar, um Diskussion und Fachaustausch zielführend zu organisieren.
  • Die Sensibilisierung und Qualifizierung von pädagogischen Fach- und Lehrkräften, der Ausbau von (frühkindlicher, schulischer) Medienbildung unter Einsatz von zusätzlichem Fachpersonal in Institutionen der Regelsysteme und eine stärkere Verzahnung der Bereiche Medien- und Gesundheitserziehung sind häufig genannte Weiterentwicklungsbedarfe, um Kinder und Jugendliche (und ihre Familien) unabhängig ihrer sozialen Herkunft und Lebenslage möglichst kontinuierlich in der Entwicklung eines gesunden Mediennutzungsverhaltens zu unterstützen.
  • Zudem bedarf es auch einer stärkeren Berücksichtigung von und Verzahnung mit Aktivitäten und Angeboten zur Förderung der Medienkompetenz im außerschulischen Bereich. Denn eine ungesunde Mediennutzung ist vordergründig im Freizeitbereich zu beobachten. Dagegen sind Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Mediennutzung hier eher unzureichend implementiert; alternative Beschäftigungsangebote im Kinder- und Jugendfreizeitbereich gilt es im Kontext der jeweiligen sozialräumlichen Verhältnisse zu stärken.
  • Settingorientierte Maßnahmen werden mit einer besseren Erreichung von Zielgruppen in unterschiedlichen (vulnerablen) Lebenslagen und einer höheren Wirksamkeit assoziiert als eine Fokussierung auf individuumszentrierte Ansätze. Hierzu zählt auch die Entwicklung kommunaler Gesamtstrategien zur Kinder- und Jugendgesundheit (inklusive sozialraumbezogener Gesundheitsförderungsstrategien) unter Beteiligung von Politik, Akteurinnen sowie Akteuren und Zielgruppen mit Förderung der ressortübergreifenden Vernetzungsarbeit.
  • Um Kinder und Jugendliche mit Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Mediennutzung besser zu erreichen, werden Peer-Ansätze zur Sensibilisierung, Aufklärung und Kompetenzentwicklung in diesem Bereich als zielführend erachtet (zum Beispiel Medienscouts). Darüber hinaus gilt es, innovative Zugänge zu Eltern unter Nutzung verschiedener Kommunikations- und Informationskanäle (unter anderem auch durch Peer-Ansätze) zu erschließen sowie die Förderung der elterlichen Medienkompetenz (beispielsweise durch Elternarbeit der Institutionen im Bildungs-, Kinder- und Jugendhilfebereich, Stärkung familienbezogener Ansätze zur Förderung einer gesunden Mediennutzung) zu unterstützen.

Der vollständige Bericht zur Bestands- und Bedarfsanalyse ist unter "Downloads" einsehbar.